Begehbare Bille Land Karte (image: Katharina Hetzeneder)
HafenCity Universität Hamburg
Architektur + Landschaft
Die seit 2018 bestehende Kooperation zwischen dem HALLO: Verein zur Förderung raumöffnender Kultur e.V. und verschiedenen Fachgebieten der HafenCity Universität Hamburg bietet Raum und Möglichkeiten zur Erprobung neuer Formen des kollaborativen Forschens und Lehrens an der Schnittstelle zwischen Zivilgesellschaft und Universität. In unterschiedlichen Formaten (“Bille-Land. Wasser als sozialer Raum”; “Urban Waters”; “Micromappings. Recycling. Rethinking Property. Eigentum im Bille-Land” und “Cohabitation”) wurden und werden verschiedene Modelle des forschenden Lernens erprobt: fächerübergreifend, inter- und transdisziplinär, handlungsorientiert, explorativ, reflexiv, kooperativ und partizipativ. Sie vermittelten System-, Ziel- und Transformationswissen und ermöglichen fachliche, methodische und kommunikative Kompetenzen zu erwerben. Dabei stellt der Stadtraum rund um das Kraftwerk Bille und die dort vom HALLO: e.V. betriebene „Schaltzentrale“ sowie dem von der Arge “HALLO:Park” entwickelte ehemalige Recyclinghof am Bullerdeich den gemeinsamen Lern- und Handlungsraum dar, der auf Praktiken der reflexiven Raumerkundung, der aktiven und performativen Aneignung sowie des ko-kreativen Austauschs unterschiedlicher Kulturen und Erfahrungen basiert.
Unser Aktionsraum ist das Gebiet rund um das Wasserbecken des Billebogens und die angrenzenden Kanäle im Hamburger Osten, dort wo die Stadtteile Hammerbrook, Hamm-Süd und Rothenburgsort aufeinandertreffen. Das im Zweiten Weltkrieg komplett zerstörte Gebiet ist geprägt von einer vielfältigen und heterogenen Mischung alteingesessener Logistik-, Großhandels-, Fabrik- und Kleingewerbebetriebe sowie (nicht-)etablierten kulturellen und künstlerischen Nutzungen, Hausbooten, Wassersport, Kleingartenidylle und angrenzenden Wohngebieten (ca. 5.000 Einwohner:innen und ca. 12.000 Arbeitnehmer:innen). Die Bille und ihre benachbarten Kanäle spannen ein Gewebe aus Wasserwegen auf, das ein zum öffentlichen Straßen- Wege- und Schienennetz komplementäres Netz aus Wasserwegen darstellt. Allerdings ist überwiegende Anteil der Ufergrundstücke in privatem Eigentum und es gibt nur wenige direkte Zugänge zum Wasser. Nur noch wenige Industrieunternehmen nutzen die Wasserwege aktiv für die Zulieferung und neben dem Wassersport (Rudern, Kanufahren, Motorbootfahren, Angeln) und einigen Hausbooten gibt es wenige konkrete Nutzer:innen der Wasserflächen.
Die Gestaltung von Stadt wird im Rahmen der Lehr-, Forschungs- und Entwurfsprojekte im 1:1-Modus in ihren relationalen Zusammenhängen zwischen den ortsspezifischen räumlichen Bedingtheiten und Eigenarten in ihrem Bezug zu ihren urbanen, kulturellen und sozialen Praktiken untersucht. Das ist eine grundsätzlich andere Haltung als die auf normierten sozial-räumlichen Zuweisungen und auf verallgemeinernden Prinzipien basierende – aktuell praktizierte – Stadt- und Architekturproduktion, deren formale und institutionelle Gewissheiten nicht mehr greifen bzw. auf zunehmenden gesellschaftlichen Widerstand stoßen. Um gegenwärtige Lebenswelten mit der notwendigen Spezifität und Qualität reflektieren, entwerfen und realisieren zu können, bedarf es differenzierter Ansätze zur Entwicklung und Erforschung relationaler urbanistischer, architektonischer und künstlerischer Strategien.
Gleichzeitig verfolgen alle Lehrformate das Ziel, einen Beitrag zur gemeinwohlorientierten, ko-produktiven Stadtentwicklung zu leisten und grenzen sich damit von einer rein wirtschaftlichen und gewinnorientierten Stadt- und Immobilienentwicklung ab. Dazu bedarf es einer intensiven und bewussten Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Perspektiven und Möglichkeiten individueller zivilgesellschaftlicher, kommunaler und privatwirtschaftlicher Akteur:innen im Hinblick auf ihre möglichen Beiträge zur Förderung eines vielfältigen Zusammenlebens in der Stadt. Welche Beiträge, Handlungen und Entwurfsansätze das Gemeinwohl fördern, kann nie generalisierend, sondern ausschließlich in einer kontextspezifischen Auseinandersetzung mit einem Raum in seinem konkreten gesellschaftlichen Zusammenhang und den in diesem Raum stattfindenden gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen bestimmt werden. Dabei bedarf es auch einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Anthropozentrismus und einer Einbeziehung des Zusammenspiels zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteur:innen und ihren wechselseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten.
Die in den jeweiligen Lehrformaten entwickelten Erkenntnisse dienen als Basis um daraus neue Fragen zu formulieren, die in darauffolgenden Lehrformaten aufgegriffen werden. Die daraus resultierenden Ideen und das Wissen werden in im wachsenden Bille Raum Archiv dokumentiert, welches wiederum eine wichtige Grundlage für weitere Lehr- und Forschungsformate sowie den Raum transformierende Aktionen und Projekte darstellen. Dabei dienen sowohl digitale wie auch analoge Medien – wie Modelle und Karten – als wichtige Grundlagen einer gemeinschaftlichen, ko-kreativen und sich fortschreibenden Wissensproduktion und gemeinsamer Lernprozesse an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis.